Katholiken in der Gegenwart

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Gegen Katholiken herrschen heute mehr als je heftige Vorurteile. Aus verschiedenen Gründen haben Nichtkatholiken und sogar Katholiken selbst eine falsche Vorstellung von Ihrer Religion, ihrer Amtskirche und deren Lehren. Zeit, dass diese Fehleinschätzungen gerade gerückt werden. Als Instrument der Kommunikation versteht sich diese Kolumne.

Wir schreiben das Jahr 2008. Es ist 2 Uhr Nachts und es läuft krächzende Musik aus Lautsprechern. Die Studentenparty im Keller dieser alten Kaschemme hat sich ziemlich verlaufen. Und wer noch auf den Beinen stehen kann, überlegt sich den Ort zu wechseln oder langsam nach hause zu gehen. Da kommt plötzlich ein Linksalternativer auf mich zu, der wohl gerade mit einer guten Freundin über mich gesprochen hat. Sichtlich verwirrt schaut er mich an und fragt: „Du bist katholisch? Du akzeptierst also andere Meinungen nicht? Warum das denn?“ [O-Ton]

Ein Katholik hat es in heutigen Zeiten nicht leicht. Nur wenige wissen, was Katholiken eigentlich glauben oder nicht glauben. Fundierte Kenntnisse in katholischer Theologie kann man natürlich nicht von jedem erwarten. Doch sehr häufig basieren die Urteile der Allgemeinheit nur auf Gerüchten und Hörensagen. Obwohl sie völlig falsch sind, sind sie mittlerweile als Gemeinplatz akzeptiert.

Ein Beispiel: Schreiben Sie lieber Leser doch einmal auf einen Zettel fünf Sätze über die päpstliche Unfehlbarkeit auf. Notieren Sie welche Äußerungen des Papstes ihrer Meinung nach davon betroffen sind. Im Anschluss daran lesen Sie den Wikipedia-Artikel zum Unfehlbarkeitsdogma. Sie werden Ihr blaues Wunder erleben.

Katholiken als soziale Minderheit

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Sehr oft bleiben die Kirchenbänke heute leer. Für die Gemeindemitglieder sind andere Aktivitäten wohl wichtiger Photo by Pfarrei St. Bonifatius Berlin

Entgegen der landläufigen Meinung sind Katholiken in Deutschland längst eine soziale Minderheit. Zwar gehörten 2012 amtlich nach einer Studie der Bundeszentrale für politische Bildung 30,15% der Bevölkerung dem katholischen Glauben an. (zur Statistik) Fraglich ist aber, wie ernst diese Menschen ihren Glauben nehmen, und ob diese Katholikenschar nicht maßgeblich aus Karteileichen besteht. Nach dem Bericht der deutschen Bischofskonferenz nahmen 2012 absolut 2,9 Millionen Menschen wöchentlich am katholischen Gottesdienst Teil. (zur Studie als Pdf Seite 16, rechte Spalte) Das entspricht einem Anteil von nur 3,6% der Bevölkerung. Jeder Einzelne der rund 20 Millionen Deutschen, der Angehöriger der katholischen Kirche bleibt, aber den Gottesdienst nicht besucht, hat dafür sicher seine individuellen Gründe. Sichtbar ist an den Zahlen aber, dass die katholische Konfession nur noch für eine geringe Zahl von Menschen hohe Relevanz hat. Entsprechend niedrig ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch in einem bestimmten sozialen Milieu überhaupt einen Katholiken kennt, der sich jemals Ernst mit Glaubensfragen auseinandergesetzt hat. Dem Links-Alternativen aus dem Eingangsbeispiel kann man keinen Vorwurf machen. Er hat wahrscheinlich in seinem Leben vor mir nie einen Katholiken getroffen.

Katholizismus und mediale Präsentation

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Sein Fehlverhalten generierte mehr Medienaufmerksamkeit als tausende humanitäre Projekte, die Katholiken im gleichen Zeitraum realisierten. Photo by Medienmagazin pro

In den Mainstream-Medien findet Religion in Deutschland nur noch eingeschränkt statt. In vielen Medien werden Christentum und Kirche nur noch thematisiert, wenn sie Gegenstand von Kritik oder Parodie sind. Nachrichten berichten ausführlich über den Missbrauchsskandal oder die goldene Badewanne von Tebartz van Elst, nicht aber über die soziale Arbeit der Malteser oder die Bildungsarbeit der tausenden von Schulen und Universitäten, die immer noch von katholischen Einrichtungen getragen werden. In der medialen Wahrnehmung wird die katholische Kirche auf die markanten Punkte reduziert, bei denen die Öffentlichkeit nicht mit ihr konform geht. Ihre Religion bedeutet für praktizierende Katholiken aber nicht Kondomverbot, priesterliches Zölibat und Scheidungsverbot. Im Gegenteil spielen diese Dinge (die auch innerhalb der katholischen Amtskirche theologisch umstritten sind) in der Glaubenspraxis eine verhältnismäßig geringe Rolle. Im Zentrum des religiösen Lebens steht der Glaube an Gott und Jesus Christus, und die Nächstenliebe, in der die Katholiken den Weg zu ihm sehen.

Religion und Naturwissenschaft

Richard Dawkins

Menschen wie Richard Dawkins, die die katholische Kirche aus naturwissenschaftlicher Perspektive kritisieren, haben Hochkonjunktur. Doch Naturwissenschaft und religiöser Glaube muss sich nicht widersprechen. Photo by Matti Á.

Christentum und Katholizismus sind in unserer heutigen Zeit nicht mehr das vorherrschende Weltbild. Die dominierende Weltanschauung ist vielmehr eine naturwissenschaftlich/materialistische Sicht der Welt. Der Katholizismus als eine der vormalig dominierenden Weltansichten gerät dabei leider in eine tragische Rolle. Denn um die Zweckrationalität und die Vorteile der eigenen Weltsicht herauszustellen, grenzt sich das materialistische Weltbild gegen die vermeintlich irrationalen Handlungsweisen ihrer Vorgänger ab. „Schaut euch die dummen Katholiken an, die um ihr Seelenheil besorgt waren, dass es gar nicht gibt. Gut dass wir heute mit unseren naturwissenschaftlichen Methoden verstehen, wie die Welt „wirklich“ ist, und wirtschaftlichen Reichtum und Wohlstand für alle generieren.“ Es folgen häufig einige Plattitüden über Hexenverbrennung und Judenverfolgung, und ein Konsens ist darüber geschaffen, wie rückständig Katholiken sind. Diese Plattitüden sind nicht nur oft schon historisch unadäquat, sondern haben mit der Glaubenswirklichkeit heutiger Katholiken auch nichts zu tun. Die eigenen Schwächen des materialistischen Weltbilds geraten dabei ebenso schnell aus dem Blick, wie die Tatsache, dass Naturwissenschaft und Religion sich nicht zwangsläufig widersprechen müssen.

Eine Kolumne über Katholizismus

Vieles könnte und müsste über falsches Wissen und Katholizismus noch geschrieben werden. Und dies wird auch geschehen. In den kommenden Wochen und Monaten möchte ich in dieser Kolumne, Artikel zu kritischen Themen schreiben, über die viel Unbildung verbreitet wird. Päpstliche Unfehlbarkeit, Dogmen, Zölibat, Kondomverbot, Scheidung und Wiederheirat, Hexenverbrennung, Glaube und Naturwissenschaft, Heilige, Religion und Kunst, Medien, Meinungsvielfalt und theologische Spitzfindigkeiten. Zu all dem möchte ich Artikel verfassen. Nicht um zu bekehren. Nicht um Propaganda zu betreiben. Sondern weil Missverständnisse und Vorurteile vorliegen, wo gegenseitiges Verständnis und Toleranz eine gemeinsame Gesprächsgrundlage bilden könnten. Damit der nächste Links-Alternative auf einer Party vielleicht mit weniger Berührungsängsten auf einen Katholiken zugehen kann und beide, statt sich zu streiten, gemeinsam ein Bier trinken.

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