Wochenrückblick 15. – 20. Juni

Nach einer Woche Pause gibt es wieder einen Wochenrückblick: Griechenland kurz vor Austritt aus der Eurozone. Papst Franziskus veröffentlicht eine Enzyklika zum Thema Umwelt. Die Bundesregierung kann keinen Nutzen der Vorratsdatenspeicherung nennen. Und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilt gegen Forenbetreiber.

Politik

Griechenland

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende? Die griechische Regierung und die Gremien der EU scheinen das mittlerweile so zu sehen. Am Donnerstag wurde ein Krisengipfel der EU-Finanzminister erneut ohne Ergebnis abgebrochen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte bereits beim Gipfel am vergangenen Wochenende bemängelt, dass es an neuen, konstruktiven Vorschlägen aus Griechenland fehle, über die verhandelt werden könne. Für Montag haben die Staats- und Regierungschefs der Eurozone einen erneuten Krisengipfel anberaumt. Über die Griechenland-Hilfen wird nun auf höchster Ebene verhandelt.

der Griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras

Alexis Tsipras at the Subversive festival Photo by matthew_tsimitak

Ob der Gipfel am Montag neue Erfolge bringen wird ist fraglich. Griechenland steht das Wasser bis zum Hals, weil die Gläubiger bis zu einer einvernehmlichen Lösung die Tranche des aktuellen Hilfspakets nicht auszahlen werden, auf die Griechenland dringend angewiesen ist. Anfang Juni verschob die griechische Regierung bereits eine Milliardenschwere Rückzahlung an den Internationale Währungsfond auf Ende des Monats. Am 30. Juni wird diese Zahlung von 1,6 Milliarden jedoch trotzdem fällig. Falls EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfond bis dann kein neues Hilfspaket beschlossen haben, ist Griechenland Zahlungsunfähig. Das aktuelle Hilfsprogramm läuft Ende des Monats aus.

Beobachter vermuten, dass die griechische Regierung sich mit dem Bankrott und dem daraus zwingend folgenden Grexit (Austritt Griechenlands aus der Eurozone) bereits abgefunden hat. Zwar wollen 76% der Griechen im Euro bleiben. Doch rechnet sich die Regierung Tsipras in einer großen Runde mit allen Gläubigern wohl bessere Verhandlungschancen aus als in Einzelgesprächen mit der EU.

Der zugrunde liegende Konflikt ist nicht einfach zu lösen. Griechenland ist nicht durch die Schuld der EU in eine wirtschaftlich missliche Lage geraten sondern durch Jahrzehnte langes Missmanagement seiner politischen Eliten. Der Sparkurs, den die europäischen Partner Griechenland verordnet haben, trifft jedoch maßgeblich die Bevölkerung. Gleichzeitig kann die Bevölkerung der Geberländer nicht nachvollziehen, weshalb ihre Steuergelder zur Stützung eines anderen Landes verwendet werden sollen. Und andere unter Druck geratene Staaten wie Portugal oder Irland verstehen nicht, weshalb sie ihre Haushalte unter schweren Opfern konsolidieren mussten.

Einzig Angela Merkel bleibt angesichts der Griechenlandkrise zuversichtlich. Eine Einigung mit Griechenland sei immer noch Möglich, erklärte sie bei einer Regierungserklärung im Bundestag.

Religion

Papst Franziskus verkündigt Enzyklika zum Umweltschutz

Bild von Papst Franziskus im Papamobil

A ride in the popemobile Photo by raffaespo

Eine Enzyklika ist an sich nichts besonderes. Sie ist ein päpstliches Lehrschreiben zu einem theologisch/philosophisch/weltanschaulichen Problem. Mitte des 18. Jh wurden sie eingeführt. Und seither erlassen Päpste alle 2 bis 3 Jahre eine Enzyklika. Was sich jedoch am Donnerstag (18. Juni 2015) abgespielt hat, hat das Potential nicht nur die Kirche, sondern die ganze Weltgesellschaft zu verändern.

In seiner lang erwarteten Enzyklika zum Umweltschutz rechnete Papst Franziskus schonungslos mit der Menschheit und vor allem mit Politik und Wirtschaft ab. Niemals habe der Mensch die Umwelt so schlecht behandelt, wie im 19. und 20. Jahrhundert. Die Erde gliche „einer Mülldeponie“. Dabei hätten die Armen Nationen unter der Verschmutzung viel mehr zu leiden, als die reichen Staaten der westlichen Welt. Die Politik habe nichts gegen die Jahrzehntelange Misswirtschaft unternommen, außer Klimagipfel abzuhalten, bei denen nichts beschlossen worden sei. Nun sei es dringend notwendig, Projekte wie den Wechsel zu regenerativen Energien schnell zu vollziehen. Die Zeit dränge.

Mit seinen Forderungen wird Papst Franziskus nicht nur vielen Katholiken aus der Seele sprechen. Selten hat eine Person der Weltöffentlichkeit so schonungslos die Lage beschrieben wie der Papst am letzten Donnerstag. Spätestens mit der Enzyklika hat Papst Franziskus bewiesen, dass er die katholische Kirche ins 21. Jahrhundert führen will.

Netzpolitik

Regierung kann keinen Ermittlungserfolg durch Voratsdatenspeicherung nennen

Die Debatte über die Vorratsdatenspeicherung nimmt bisweilen absurde Züge an. Die Regierung hat vor die Kommunikationsdaten jedes Bürgers zu speichern. Wer wann mit wem gesprochen oder kommuniziert hat, würde dann universell nachvollziehbar sein. Jeder Bundesbürger steht ab diesem Tag unter Generalverdacht. Trotz großem Protest aus der SPD und auch aus netzpolitischen Kreisen der CSU wird die Koalition das Gesetz vorraussichtlich beschließen. Die Entscheidung der SPD fällt auf ihrem Parteikonvent in den Stunden während dieser Blogartikel geschrieben wird. (20. Juni 2015 ca. 16.00)

Anlasslose Vorratsdatenspeicherung hilft den Behörden nicht dabei Verbrechen oder Terroranschläge zu vereiteln oder aufzuklären. Das wurde in diesem Blog bereits mehrfach mit Verweis auf wissenschaftliche Studien berichtet, und so hat es auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags nachgewiesen. In der Bundespressekonferenz am 8. Juni fragte nun der JournalistThilo Jung („Jung und Naiv“, ehemals Krautreporter), ob die Bundesregierung irgendeinen Fall nennen könne, in dem durch die Vorratsdatenspeicherung ein Verbrechen aufgeklärt worden sei. Piotr Malachowski, Pressesprecher für Verfassungs- und Verwaltungsrecht im Bundesjustizministerium konnte keinen einzigen Fall nennen.

 IT-Recht

EGMR urteilt gegen Forenbetreiber

Schwarzes Paragraphenzeichen auf weißtem Grund

Photo by Skley

Viel Aufsehen erregte am Dienstag (16. Juni 2015) eine Entscheidung des Europäischen Gereichtshofs für Menschenrechte in Straßbourg. Das Nachrichtenportal Delfi AS war zur Zahlung von 320 Euro Schadensersatz an einen User verurteilt worden. Ein anderer User hatte den Kläger in einem Kommentar unter einem Artikel schwer beleidigt. Nach Ansicht des Gerichts hätte das Team des Nachrichtenportals den Kommentar bemerken und löschen müssen. Delif AS hatte argumentiert, dass es sich um eine freie Meinungsäußerung gehandelt habe.

Brisant ist der Fall, weil das Team von Delif AS nicht zuvor auf den illegalen Kommentar aufmerksam gemacht worden war. Nach deutscher Rechtsprechung (und auch nach anderen Urteilen auf europäischer Ebene) haftet ein Foren- oder Portalbetreiber erst dann, für rechtswidrige Inhalte seiner User, wenn er von diesen Inhalten Kenntnis erhält und anschließend nichts dagegen unternimmt. Eine Vorabprüfung jedes einzelnen Inhalts vor Veröffentlichung ist für einen Portalbetreiber nicht zumutbar.

Was für Auswirkungen hat das Urteil nun für deutsche Forenbetreiber? Wahrscheinlich wenig. Aus der Urteilsbegründung geht zunächst ausdrücklich hervor, dass nach Meinung des Gerichts nur kommerzielle Portale betroffen sind, die ihre Nutzer aktiv zu Kommentaren aufrufen. Kleine private Forenbetreiber sind also per se nicht betroffen. Branchenbekannte IT-Anwälte wie Thomas Stadler und Christian Solmecke halten die Auswirkungen auf den deutschen Rechtsraum darüber hinaus für gering. An deutschen Gerichtshöfen gebe es zu diesem Thema eine klare und etablierte Rechtssprechungspraxis, die sich durch ein einzelnes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wohl kaum ändern werde.

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