Brief an die Putintrolle

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Liebe Putintrolle,

Trolle mit Putin-Gesicht

Putintrolle (Erstellt unter Verwendung des Quellenmatierals von „Vladimir Putin – 2006“ von Kremlin.ru. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons.)

Wie Krautreporter zuletzt aufdecken konnte, gibt es euch wirklich. Ihr seid hunderte von professionellen Redakteuren, die in Agenturenbüros überall in Moskau sitzen und schreibt auf Nachrichtenseiten in der ganzen Welt Kommentare. Darin vertretet ihr Putins Sichtweise und verunglimpft kritische Berichterstattung als böse westliche Propaganda. Egal ob bei der Huffington Post, dem Guardian, der Süddeutsche Zeitung oder der polnischen Ausgabe der Newsweek, überall streut ihr eure Propaganda. Ihr verschlüsselt mit Proxyservern eure Standorte, seid dabei aber leider nicht ganz so clever vorgegangen. Wisst ihr: wenn die Server, von denen Putin-freundliche Kommentare kommen, in perfekter mathematischer Normalverteilung überall auf der Welt stehen, nur nicht in Russland, dann ist da etwas auffällig. Seid ich von euch gelesen habe ergeben die Kommentarspalten auch unter deutschen Online-Artikeln plötzlich wieder Sinn. Doch eine Frage lässt mich nun nicht mehr los? Wer seid ihr? Was für Menschen setzen sich 8-9 Stunden am Tag vor einen Computer, nur um geschäftsmäßig herumzutrollen? Eure Eltern müssen ja echt stolz auf euch sein.

Gescheiterte Schöngeister?

Wörterbuch durch eine Lupe betrachtet

Viele der Putintrolle sind wahrscheinlich professionelle Übersetzer. Um die russische Propaganda zu verbreiten bedarf es einer ausgefeilten Strategie.

Was genau weiß man euch Putin-Trolle? Den Redaktionen der Nachrichtenportale, unter denen ihr trollt, ist an der Struktur eurer Kommentare etwas aufgefallen: Sie sind sauber geschrieben und argumentieren widerspruchsfrei. Nur ab und zu findet sich ein grammatikalischer Fehler, so als wären die Autoren keine Muttersprachler aber sehr flüssig in der jeweiligen Fremdsprache. Ist es also das? Wart ihr eigentlich Liebhaber fremder Sprachen und Kulturen?

Wahrscheinlich habt ihr euch schon in jungen Jahren in die Gedichte Goethes, die Dramen Shakespears oder die Romane von Paweł Huelle verliebt. So sehr habt ihr die fremde Sprache und Literatur geschätzt, dass ihr beschlossen habt, ihr euer Leben zu widmen. Ihr gingt an Universitäten oder in Übersetzungsbüros, und widmetet euch der schönen Kunst und Literatur. Die Welt war wunderbar… und dann war euer Studium oder eure Ausbildung zu Ende. Plötzlich fandet ihr euch in der kalten Realität wieder, in einer russischen Gesellschaft, die von ausländischer Literatur nichts wissen wollte. Wann immer ihr euren Freunden oder eurer Familie von der Schönheit fremder Sprachen berichten wolltet, rümpften sie nur die Nase. Und flüsterten hinter eurem Rücken, wann denn endlich etwas aus euch werden würde. Dann kamen die Propaganda-Agenturen auf euch zu: Ihr begabt euch in ihre Dienste: Und plötzlich wart ihr nicht mehr die kleinen Übersetzer von nebenan. Ihr wart hoch bezahlte und geachtete Medienspezialisten. Betraut mit höchst geheimen Aufträgen. Ihr unterstandet Wjatscheslaw Wolodin persönlich, dem Leiter von Putins Präsidialadministration. Auf einmal ward ihr Jemand, und eure Familien und Freunde, die euch so verlacht hatten, mussten staunen und sich von euch Geld leihen.

Und auf einmal erschien es nicht mehr ganz so lächerlich, dass Ihr als erwachsene Menschen hauptberuflich Troll-Kommentare schreibt.

Nationalistische Patrioten?

Militärparade vor dem Kremel

Ausdruck russischen Nationalgefühls: Eine Militärparade Photo by Russland und Ukraine

Vielleicht seid Ihr aber auch patriotische Russen, die fest von Putins Politik überzeugt sind. Immerhin befürwortet die Mehrzahl der Russen die Annexion der Krim. Vielleicht konntet Ihr es wirklich nicht mehr ertragen, wie eurer geliebter Präsident solch furchtbaren internationalen Anfeindungen ausgesetzt war, nur weil er den rechtmäßigen Einflussbereich Russlands vor den bösen Aggressoren der Nato verteidigte. Was glaubten diese dämlichen Ukrainer überhaupt? Dass sie das Recht hätten sich von Moskau abzuwenden? Dass sie selbst darüber entscheiden dürften, mit wem sie militärische oder wirtschaftliche Bündnisse eingehen? So weit käme es ja noch. Da könnte man ja gleich behaupten, in anderen Staaten herrsche so etwas wie „Demokratie“ oder „Volkssouveränität“.

Nein. Solch bösartigen Lügen musstet Ihr entgegentreten. Und wenn es mit der Verbreitung von noch mehr Lügen geschah. Immerhin hat Russland die Rebellen in der Ostukraine ja nie unterstützt. Und falls Russland die Rebellen nachweislich unterstützt haben sollte, dann nur mit humanitären Hilfsgütern. Und falls nachweislich Waffenlieferungen an die Rebellen ergangen sein sollten, dann bestimmt nicht der Raketenwerfer mit dem das Passagierflugzeug MH17 abgeschossen wurde. Und sollten Satellitenbilder existieren, die beweisen, dass der entsprechende Raketenwerfer kurz zuvor noch auf einer russischen Militärbasis stand, dann ist das böse westliche Propaganda.

So sitzt ihr Tag für Tag vor euren Computern und hämmert wütend eure Kommentare in die Tasten.

Trollen, um des Trollens willen

Internettroll mit Aufschrift "U Mad?" (bist du wütend?)

Ein Phänomen (nicht nur) des Internetzeitalters: Manche User sind immer dagegen Photo by Me in ME

Vielleicht seid Ihr aber auch einfach Trolle aus Leidenschaft. Schon als kleine Kinder mochtet Ihr euren Haferbrei nicht essen, weil er zu süß war, und nicht mit den anderen Kindern spielen, weil die viel zu unreif waren. Später in der Schule wolltet Ihr den Schulstoff nicht lernen, denn er war überhaupt nicht relevant für eure Zukunft und überhaupt zwang euch ja nur das böse System ihn zu lernen. Mit 17 nahmt Ihr an zahlreichen Protestdemos teil. Je offensichtlicher die notwendige Lösung für ein Problem war, desto mehr wart Ihr dagegen.

Doch schon vorher mit 15 fandet Ihr eure eigentliche Berufung: Ihr konntet es nicht fassen, als unter dem Weihnachtsbaum eine eigener Computer stand. Rasch schlosst Ihr ihn an, und begannt in allen möglichen Foren eure Meinung zu schreiben… Die unbequeme Wahrheit musste schließlich jeder ertragen können. Und die Wahrheit war nun einmal, dass alle außer Euch Vollidioten waren.

Liebe Putintrolle: Warum?

War es so liebe Putintrolle? Oder waren es doch ganz andere Gründe, die euch zum professionellen Trollen gebracht haben? Habt ihr euren Arbeitsvertrag vielleicht im Wodkasuff unterschrieben? Oder hat man euch in einem sibirischen Arbeitslager zwangsrekrutiert? Waren es am Ende ganz profane Gründe, wie… viel Geld? Ich bitte euch liebe Putintrolle, sagt es mir. Denn ich kann mir wirklich nicht erklären, wie es sein kann, dass erwachsene und gebildete Menschen den ganzen Tag lang hauptberuflich Trollen.

Doch noch eine Warnung zum Schluss: Solltet ihr tatsächlich auf diesem bescheidenen Blog gelandet sein, dann herzlich willkommen. Weil ich nur sehr wenig Traffic an Kommentaren haben, muss ich leider jeden einzelnen Kommentar vor der Veröffentlichung sichten. Sollte mir also etwas verdächtiges auffallen, werdet Ihr für den Kommentar also leider keine Provision bekommen. 😉

1 thought on “Brief an die Putintrolle

  1. Björn

    Hahaha! Endlich erläutert mir mal jemand schlüssig die Psychologie eines Netztrolls (Alles Vollidioten außer ihm selbst.) Mit einer solch bahnbrechenden Erkenntnis und Weltsicht muss man natürlich alle anderen (zwangs)beglücken, kann ich nachvollziehen.

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