Die feigen Anschlägen von Paris waren mehr als ein Terrorakt. Die IS-Terroristen haben nicht nur Frankreich und Europa sondern die Freiheit der ganzen westlichen Welt herausgefordert. Noch ist die Zeit für Trauer, für Gebete und für Solidarität. Doch sehr Bald werden wir uns aus dieser Trauer erheben müssen, um genau zu überlegen, welche Schlüsse wir aus den Taten ziehen.
Und plötzlich ist es Paris. Nicht mehr Beirut, nicht mehr Kundus, nicht mehr Jerusalem oder TelAviv, sondern Paris. Paris, wo fast jeder Westeuropäer schon mindestens einmal gewesen ist. Paris, die Stadt aus der eigenen Welt und der eigenen Erfahrung, nicht aus irgendeiner fernen Realität, die man nur aus Zeitungsartikeln und Nachrichtenmeldungen kennt. Und plötzlich sind die Opfer nicht mehr Oppositionelle, Politiker oder Journalisten, die gegen den Islam gehandelt oder geschrieben haben. Plötzlich sind es normale Leute, die nur wie du und ich am Abend zu einem Fußballspiel, zu einem Konzert oder ins Kaffee gehen wollten. Der Terror ist jetzt keine abstrakte Gefahr mehr. Er ist mitten unter uns.
Das musste ich am Freitag mit Schrecken feststellen als ich wie gebannt vor meinem Facebook Account saß und nach Nachrichten von Freunden und Bekannten Ausschau hielt: Von Studienkollegen aus dem Auslandssemester, von Freunden, Bekannten aus Frankreich und ehemaligen deutschen Kollegen, die mittlerweile in Paris arbeiten. Facebook hatte ein Sicherheitsradar eingerichtet, bei dem man sich oder andere als „in Sicherheit“ markieren konnte, um Freunde und Angehörige zu beruhigen. In unserer vernetzen, digitalisierten und internationalen Welt ist das möglich… und notwendig. Und notwendig ist auch die riesige Welle der Solidarität, die durch das Internet und die sozialen Netzwerke geht. Jeder von uns weiß natürlich, dass wir weder die Opfer wieder lebendig machen noch den IS besiegen können, indem wir Statements und Bilder vom Eifelturm posten oder unser Profilbild mit der Tricolore überziehen. Aber dennoch ist all das so wichtig. Denn, wenn wir auch sonst nichts tun können, so können wir den Angehörigen und der französischen Nation doch wenigstens zeigen, dass sie nicht alleine sind.
Angriff auf unsere Werte
Die Anschläge waren präzise geplant und vorbereitet. Und wie bei jedem Terroranschlag in der jüngeren Geschichte dürfen wir davon ausgehen, dass er eine klare und präzise Botschaft hatte. Die Terroristen haben nicht Generäle, Militär oder politische Entscheidungsträger angegriffen: Sie haben ganz normale Menschen getötet, die im Fußballstation ein Spiel anschauen oder friedlich nach Feierabend in einem Kaffee oder Restaurant sitzen wollten. Dieser Terroranschlag galt nicht den Regierungen und war kein Vergeltungsakt gegen Frankreichs Militäroperationen gegen den IS. Er war ein Angriff auf unseren westlichen Lebensstil. Ein Versuch uns durch Einschüchterung unsere Freiheit und Freizügigkeit zu nehmen. Gerade deswegen hieß das Ziel Frankreich: Das Land von Wein, Liebe und Lebensfreude. Gerade deswegen gingen die Angriffe auf Kaffees, eine Konzerthalle und ein Fußballstadion. Und leider sieht es so aus, als hätte der IS Erfolg mit seiner Strategie: Gestern Nachmittag hörte ich im Zug hinter mir, wie zwei junge Männer beschlossen im nächsten Jahr doch nicht zur Fußball-EM nach Frankreich zu fahren. Die Terrorgefahr sei einfach zu groß. In dem Moment, in dem wir uns nicht mehr getrauen unsere Freiheiten auszuüben, gibt es sie nicht mehr. Wir sollten uns jetzt noch viel bewusster und expliziter dafür entscheiden unsere Freiheiten offen zu leben.
Warum greift der IS unseren westlichen Lebensstil und unser Wertesystem an? Weil er weiß, dass genau darin die größte Gefahr für ihn liegt. Der IS fürchtet nicht die Bomben von westlichen Kampfjets. Er fürchtet, dass junge Muslime, Frauen und die ganze eigene Anhängerschaft den westlichen Lebensstil irgendwann attraktiver finden wird, als ein mittelalterliches Leben IS-Gebiet. Der IS hat Angst vor Freiheit, Offenheit und Selbstbestimmung. Denn diese Werte bedrohen das Konstrukt einer restriktiven religiösen Allherrschaft, die jeden Lebensbereich seiner Untertanen bestimmen will.
Angriff auf Frankreich, Angriff auf Deutschland
Noch ein Detail dieses Terroranschlags war mit Sicherheit genau geplant. Er fand genau während des Freundschaftsspiels Deutschland/Frankreich statt. Damit war die Tat nicht nur ein Angriff auf Frankreich und Europa sondern auch direkt auf Deutschland. Denn auch Angela Merkels Flüchtlingspolitik bedroht die Herrschaft des IS. Das offene, liberale und freiheitliche Europa nimmt unter größten Belastungen diejenigen auf, die vor der blutigen Herrschaft des IS fliehen. Dieses öffentliche Bild will der IS verhindern. Denn genau dieses Bild wird sich langfristig auch in den Köpfen der muslimischen Welt festsetzen. Und potentielle Anhänger des IS werden sich dann genau überlegen, wen sie unterstützen wollen.
Zu den unbestreitbaren Wahrheiten gehört jedoch auch: Unsere Offenheit macht uns angreifbarer für den internationalen Terrorismus. Weil wir so viele Menschen aus Syrien und aller Welt bei uns aufnehmen, steigt die Gefahr, dass sich unter dem Deckmantel des Asyls auch radikale Islamisten und Terroristen Zugang nach Europa verschaffen. Und unsere Sicherheitsbehörden können nicht jeden im Auge behalten. Schon jetzt sind die zuständigen Ämter und Behörden ja völlig überfordert. Je mehr Flüchtlinge wir aufnehmen, desto mehr steigt die Gefahr, dass Terroranschläge in Deutschland und Europa stattfinden werden.
Nun ist es sowohl unter Asyl-Beführwortern als auch bei Asyl-Gegnern in letzter Zeit Mode geworden auf einem Faktum „logisch notwendige“ Konsequenzen abzuleiten und alle Gegenmeinungen für illegitim zu erklären. Das ist das Ende der Meinungsfreiheit. Es besteht die Gefahr, dass unter all den Flüchtlingen Islamisten und Terroristen sind. Rechtfertigt das, allen Flüchtlingen den Zugang zu unserem Land zu verwehren? Ist die Gefahr für unsere Staatsordnung zu groß oder bleibt das Risiko vertretbar? Ist es fair aus Angst vor Terroristen genau den Menschen die Einreise zu versagen, die vor genau diesen Terroristen fliehen? Geben wir unser westlich/europäisches Wertesystem auf, wenn wir den hunderttausenden von Flüchtlingen nicht Sicherheit und eine Perspektive bieten? All diese Fragen lassen sich nicht objektiv mit richtig oder falsch beantworten. Jeder Einzelne von uns, muss sie für sich klären.
Die Folgen der Terroranschläge
Neben den großen internationalen Solidarität gibt es noch eine positive Lehre aus den Anschlägen. Denn wenn der IS vorhatte Frankreich durch den Terror einzuschüchtern und in Angt und Lethargie zu versetzen, so hat er das genaue Gegenteil erreicht. Hört man sich die Rede von Präsident Francois Hollande unmittelbar nach den Anschlägen an, so ist darin die feste Entschlossenheit einer Nation zu spüren, einer Nation die den Kampf für Freiheit, Individualität und Eigenständigkeit nicht aufgibt. Und auch in Interviews mit Franzosen ist eine trotzige „Jetzt erst recht“ Haltung zu spüren. Frankreich lässt sich nicht in die Knie zwingen. Deswegen mit den worten von Francois Hollande: „Vive la Republique et vive la France.“