Juliensblog will Vergasung der GDL-Loführer

Star Youtuber Juliensblog ruft in einem Video zur Vergasung der GDL-Lokführer auf und rechtfertigt seine Äußerung im Interview mit der Berliner Morgenpost. Längst wird eine Debatte darüber geführt, welche Verantwortung sich für Youtuber aus ihrer Reichweite und ihrem gesellschaftlichen Einfluss ergibt.

Es ist Dienstag 19. Mai. Am Vortag hat Claus Weselsky den ersten befristeten Streik in der Geschichte der Bundesrepublik ausgerufen. Es war ein höchst kontroverser Schritt, doch nicht halb so kontrovers, wie das, was nun folgen sollte. Im Laufe des Tages lädt der bekannte Youtuber Juliensblog ein Video hoch. Darin verurteilt er die „Hurensohnarmee“ von der GDL, weil sie trotz bestehender Arbeitsverträgen mehr Geld für weniger Arbeitsstunden erreichen will. Es sind Grundnormen des gewerkschaftlichen Selbstverständnisses, die er hier angreift. Nichts, was man vom selbster nannten Meister des schwarzen Humors, nicht gewohnt wäre. Doch dann fällt der alles verändernde Satz:

„Wisst ihr noch, wie die Juden mit Zügen nach Auschwitz transportiert wurden? Man sollte die Zugführer da hinbringen. Ich fahr auch den Zug und zwar umsonst. Und ich werde nicht einmal streiken.“

Juristische Konsequenzen für Juliensblog

Foto von drei ParagrafenzeichenRechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Medienkanzlei
Wilde Beuger Solmecke hat keine Zweifel, dass die Äußerung ein juristisches Nachspiel haben wird. „Die Grenze zur freien Meinungsäußerung ist hier weit überschritten worden. […] Der junge Mann hat in seinem Video den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt und vermutlich auch den der Volksverhetzung. […] Hier ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder eine Geldstrafe möglich.“

Alles nur PR?

Viel bedeutender ist aber die moralische Frage. Für seine extreme Wortwahl gegenüber der GDL fehlt Juliensblog wohl jegliches Unrechtsbewusstsein, wie er mittlerweile in Stellungnahme gegenüber der Berliner Morgenpost klar machte. Warum sollte er auch. Obwohl das Video mittlerweile (entgegen Youtubes erster Ankündigung) gesperrt wurde, hat es bis jetzt (23.05.2015 14.28) 676.404 Klicks erreicht. Eine ideale Marketing-Maßnahme für das „Juliensblogbattle 2015“. Der Musikwettbewerb, den Julienblog jährliche veranstaltet, hat erst in der letzten Woche begonnen. Es ist daher nicht völlig auszuschließen, dass die ganze Affäre ein gezielte Provokation Juliens ist, mit denen er Medienaufmerksamkeit für das JB2015 generieren möchte.

Juliensblog der BadBoy

Julien Sewering ist seit Jahren ein Phänomen auf Youtube. Als Kritiker verschiedener Medien, vor allem aber Hip Hop Musik, hat er sich einen Namen gemacht. Er gehört zur ersten Generation der Vollzeit-Youtuber. Lange Stand die Rapszene diesem Phänomen hilflos gegenüber. Gestandene Rapper wie Kollegah oder SunDiego mussten sich damit abfinden dass eine einzige Video-Kritik plötzlich den Verkauf eines Albums pushen oder vernichten konnte. Als Julien sich 2012 entschied als Konkurrenz zum etablierten Wettbewerb VBT einen eigenen HipHop-Wettbewerb zu veranstalten, lachten die Zuschauer und selbst die Teilnehmer machten in ihren Beiträgen Witze über den „Copycat“. 2013 trat der Rapper Spongebozz erstmalig im JBB auf. Die Klickzahlen explodierten. 2014 generierte das JBB 500.000 Euro an Werbeeinnahmen. Von der ehemaligen Konkurrenz dem VBT hört man nicht mehr viel. Über das JBB lacht niemand mehr.

Was ist das Erfolgrezept des Youtubers, der mit seinen Videos nach Socialblade bis zu 7,200 Dollar im Monat verdient? (Angaben ohne Gewähr, weil die exakten Konditionen der Youtuber mit ihren Management-Netzwerken nicht öffentlich sind). Es ist das, was Juliensblog selbst „schwarnzen Humor“ und „Satire“ nennt, die gezielte Provokation und Grenzüberschreitung. Zu Beginn seiner Karriere vergab er in seinen Kritiken an getestete Spiele oder Filme gerne „drei Totgeburten“. In der Seelsorge, seiner ironischen Kopie von Dr. Sommer aus der Bravo, rät er jedem Ratsuchenden zuallererst: „Bring dich um!“. Seit Jahren bedenkt er alle möglichen Personengruppen und Institutionen mit seinen hasserfüllten Kommentaren: Die Bildzeitung, RTL, Religionsanhänger, Homosexuelle und vor allem Frauen. Das Konzept geht auf. Obwohl er selbst immer wieder gesagt hat, dass ihm ein erwachsenes akademisches Publikum lieber wäre, hat er einen treuen Anhängerkreis von sehr jungen beeinflussbaren Followern, die „Juliensöhne“. Jeder, der auf Youtube Kritik gegen ihren Großmeister äußert, bekommt ihren Zorn in den Kommentaren zu spüren.

Was werden die jungen und beeinflussbaren „Juliensöhne“ wohl denken, wenn ihr Idol ihnen Nazivergleiche und Antisemitismus als legitime satirische Meinungsäußerung verkauft? Verstehen sie die Tragweite solcher Äußerungen? Ist ihr Charakter schon gefestigt genug, um solche „satirischen“ Äußerungen als solche zu erkennen, auch wenn weder Zusammenhang, noch Wortwahl oder Tonfall die Sätze als Satire kenntlich macht?

Verantwortung auf Youtube

Der Mediensturm über Juliensblog entstand nicht im luftleeren Raum. Vollzeityoutuber sind seit Jahren ein festes Phänomen in Deutschland und weltweit. Es sind Personen, die über ihre Kreativität und ihre Authentizität Millionen von Usern dazu gebracht haben sie zu abbonieren. Das heißt sie werden über jedes neue Video benachrichtigt. Einzelne Youtuber wie Gronkh, YTitty, Coldmirror, Lefloid, Clavinover oder Unge haben auf dieser Weise gigantische Reichweiten mit Millionen von Abbonenten erreicht. Doch mit einer herausragenden Rolle in der Öffentlichkeit kommt auch eine Verantwortung. Die Verantwortung seine Konsumenten nicht in negativer Weise zu beeinflussen.

Comedian Jan Böhmermann gehört zu den einflussreichsten Kritikern der Youtuber-Szene. Kurz vor Weihnachten lieferte er sich einen Twitter-krieg mit dem Youtuber Dner, der in mehreren Videos und Interviews offen für die AfD Partei bezogen hatte. In seiner wütenden Antwort konnte Dner nicht nachvollziehen, warum man ihn öffentlich für diese Äußerungen kritisiere. Er stehe der Partei immerhin seit einem Jahr nicht mehr nahe. (Was er allerdings niemals öffentlich kommuniziert hat) In seinem „Neo Magazin Royal“ kritisierte Böhmermann in einem satirischen Beitrag Youtube-Stars wie die Schmink-Bloggerin „Bibis Beautyplace“. Mittels Affiliate-Links würden beeinflussbare junge Menschen zum Kauf bestimmter Produkte bewogen, ohne dass für die Zuschauer ersichtlich wäre, dass es sich um Werbung handelt.

Eine Debatte um Geld

Ähnlich äußerte sich der Battle-Rapper Gio in seinem Song „Kein Rapper“, der über einen der Kanäle von JuliensBlog veröffentlicht wurde. Darin warf er dem Youtuber Liont vor, seine Berühmtheit zu instrumentalisieren, um junge Fans über Werbung zu beeinflussen und damit viel Geld zu verdienen. Lionts Musikkarriere sei nicht auf wirklichem Talent oder musikalischer Qualität aufgebaut, sondern nur ein Produkt seiner Berühmtheit bei Youtube.

Der bekantne Kenner der Youtuber-Szene Mr. Trashpack äußerte jüngst vermehrt seinen Unmut über die Youtube-Community. Ausgehend von einem Interview von Jan Böhmermann thematisierte er das Selbstverständnis heutiger Youtuber. Mit Reichweiten von mehreren Millionen Abonennten müssten die jungen Youtube-Stars endlich zur Kenntnis nehmen, dass sie nun echte Stars seien. Immerhin sei Youtube für die allerwenigsten erfolgreichen Youtuber mehr ein Hobby, für die meisten ist es ihr Beruf. Und wenn man als öffentliche Person behandelt werden wolle, dann müsse man sich eben auch so benehmen.

Fazit

Der Ausschwitz Skandal von Julienblog zeigt der Youtube-Szene die ethische, rechtliche und wirtschaftliche Kehrseite der Berühmtheit auf. Viele Probleme ergeben sich aus dem Medium Youtube selbst: In Radiosendern, Fernsehstationen und Zeitungsredaktionen arbeiteten immer ganze Teams von Mitarbeitern. War ein Beitrag rechtlich belangbar oder ethisch/moralisch fragwürdig, fiel irgendjemandem im Laufe des Veröffentlichungsprozesses auf. Youtuber hingegen arbeiten zumeist völlig auf sich alleine gestellt. Fehler können dabei passieren. Die Youtubergemeinschaft muss sich langfristig die Frage stellen, wie sie mit derartigem Fehlverhalten umgehen will. Denn einzelne Täter können den Ruf der ganzen Community schädigen.

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