Neues über die Putintrolle

Schon vor längerem wurde bekannt, dass der Kreml hunderte Redakteure beschäftigt, die Medienseiten und Blogs mit prorussischen Kommentaren zu müllen. Jetzt hat erstmals eine Insiderin ausgepackt: Die Berichte der ehemaligen Propaganda-Mitarbeiterin Ljudmilla Sawtschuk offenbaren interessante Einblicke in die Welt der Putintrolle.

Trolle mit Putin-Gesicht

Putin Trolle (Erstellt unter Verwendung des Quellenmatierals von „Vladimir Putin – 2006“ von Kremlin.ru. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons.

Die russische Aggressionspolitik und die Putintrolle waren schon häufiger Thema in diesem Blog. Besonders hat mich persönlich interessiert, was für Menschen sich dazu entscheiden hauptberufliche Trolle zu werden. Geht es ausschließlich um Geld? Oder haben wir es mit Überzeugungstätern zu tun? Sind es Menschen, die durch das Trollen eine Art tiefergehende Befriedigung erfahren? Die Berichte der ehemaligen Putintrollerin Ljudmilla Sawtschuk geben uns Einblicke in die Welt und den Arbeitsalltag eines Putintrolls.

Putintrollen ist kein Spaß…

Sawtschuk hat wohl in einem grauen, unscheinbaren Gebäude in St. Petersburg gemeinsam mit vielen anderen Redakteuren gearbeitet. Die Bezahlung war mit 40.000 bis 50.000 Rubel (700-800 Euro) monatlich wohl angemessen. Die Arbeitsbedingungen aber waren grausam: In der „Trollfabrik“ arbeiteten zahlreiche Mitarbeiter auf kleinstem Raum. Alle wurden Video-überwacht. Es herrschte ein hektisches und ängstliches Klima. Jeder Redakteur musste täglich viele Kommentare schreiben. Wer zu wenige oder zu schlechte Beiträge schrieb flog gnadenlos raus. Die Fluktuation unter den Kollegen war sehr hoch. Täglich schickte die Propaganda-Führung Mails mit aktuellen Nachrichten herum und erklärte wie man in Kommentaren darauf reagieren solle. Da mittlerweile interne E-Mails der Putin-Propagandisten geleakt wurden (russisch) wissen wir mittlerweile, das sie sehr strategisch vorgehen. Offenbar werden ausländische Medien akribisch daraufhin untersucht, ob die prorussische Propaganda dort auf offene Ohren stoßen könnte.

Sie sind jung und brauchen das Geld

Meine bisherigen Frage: Wer sind die Putintrolle, hat Sawtschuk ausführlich beantwortet: Es habe zwar einige ältere Überzeugungstäter gegeben, die überwiegende Mehrzahl der Redakteure seien jedoch Studenten gewesen. Sawtschuk wörtlich:

„Politik war ihnen vollkommen gleichgültig, sie nahmen nichts ernst. Für sie war es bloß eine Art Geld zu verdienen.“

Sollte dieses Zitat auch in dieser Tonalität adäquat übersetzt sein, lese ich hier bei Sawtschuk doch eine Spur Überraschung oder Empörung über die jungen Trolle heraus.

Unpolitische Putintrolle

Sawtschuks Beobachtungen passen in ein größeres Bild. Persönliche Erlebnisse lassen sich natürlich nur eingeschränkt verallgemeinern.  Doch die meisten jungen Russen, die ich in den vergangenen Jahren getroffen habe, interessierten sich auch nicht für Politik. Obwohl zumeist Akademiker gingen sie auf politische Themen überhaupt nicht ein, oder beschränkten sich auf affirmatives Nachbeten von Regierungspositionen.

Weshalb sollte man sich auch politisch in einem Staat engagieren, in dem die Bürger ohnehin wenig Einfluss gewinnen können. Da doch lieber der Rückzug ins Private.

Putin wird also wahrscheinlich auch für seine zukünftigen Trollzüge reichlich gleichgültiges Gefolge finden.

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