Tsipras unredlicher Populismus gegen Europa

Alexis Tsipras spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung vor einer Menge Menschen

Im Wahlkampf machte Tsipras vor allem Stimmung gegen die Politik der EU Photo by Dan_iele

Was sich in Griechenland seit Monaten abzeichnete, ist nun Gewissheit: Syriza hat die griechischen Parlamentswahlen mit Abstand gewonnen und regiert nun gemeinsam mit der rechtspopulistischen Partei der „Unabhängigen Griechen“ das Land. Der Parteivorsitzende Alexis Tsipras ist als neuer Regierungschef vereidigt worden. Die Gunst der Bürger gewann Tsipras im Wahlkampf mit dem Versprechen sozialer Wohltaten und vor allem mit Polemik gegen die EU. Kaum im Amt hat Tsipras schon begonnen seine Politik in die Tat umzusetzen. In seinem Kabinett schart er Europa-Kritiker  um sich und torpediert bereits jetzt die Politik der EU gegen Russland.

Tsipras macht Europa und die Sparpolitik für die Misere in Griechenland verantwortlich und verspricht Abhilfe. Doch seine Kritik ist weder redlich noch erfolgversprechend.

Tsipras: Wahlkampf mit dem Schuldenschnitt

Eine Euromünze vor eine Griechenland-FaneVehement forderten Tsipras und seine Syriza-Gefolgsleute den ganzen Wahlkampf über einen Schuldenschnitt. Griechenlands Milliardenschulden sollen nicht mehr bedient werden. Jene Milliarden, die andere EU-Ländern Griechenland in schwierigen Zeiten zur Rettung des Landes zur Verfügung stellten. Jene

Milliarden, die die Griechische Regierung genommen und ausgegeben hat. Jene Milliarden von denen den europäischen Steuerzahlern hoch und heilig versprochen wurde, dass sie zurückbezahlt würden. Unverhohlen legte Tsipras die Erpressungsstrategie offen, durch die er Griechenlands Schulden erneut mit der Troika verhandeln will: „Wenn man 10.000 Euro Schulden hat, hat man ein Problem. Wenn man 10 Millionen Euro Schulden hat, hat die Bank ein Problem.“ Die Marschroute ist also klar: „Entweder ihr gebt euch mit einem Teil eures Geldes zufrieden, oder ihr bekommt gar nichts.“

Griechenland am Abgrund

Ein trauriger alter Mann am Hafen spielt Schifferklavier

Für viele Griechen ist die Lage momentan trostlos. Photo by Ira Gelb

Die wirtschaftlich und soziale Lage in Griechenland ist niederschmetternd. Ein Viertel der Bevölkerung ist mittlerweile akut von Armut bedroht. In den vergangenen Jahren machten 230 000 Betriebe pleite. Über eine Million Arbeitsplätze (bei gerade einmal gut 10 Millionen Einwohnern) gingen verloren. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 49,8%. Gut ausgebildete, junge Griechen haben nur mehr die Wahl, wohin sie auswandern möchten. Auch wenn das Land 2014 erstmals die Rezession verlassen und ein Wirtschaftswachstum erzielen konnte.

Die Lage ist und bleibt kritisch. Allein: Nichts von alledem ist der Fehler der europäischen Union, der EZB oder gar Deutschlands. Vielmehr haben in Griechenland in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft seit Jahrzehnten gravierende Fehlentwicklungen geherrscht: Zu hohe Staatsquote, keine konsequente Steuererhebung, Korruption und Vetternwirtschaft wohin man auch schaute. Neben dem Tourismus konnten niemals tragende Wirtschaftssektoren etabliert werden, die dauerhaft für Wachstum und Beschäftigung gesorgt hätten. Die Finanzkrise im Gefolge der Lehmann-Pleite förderte nur zutage, was vorher unter der Decke gehalten wurde: Die griechische Wirtschaft war seit Jahrzehnten ein Titan auf tönernen Füßen.

Die Retter werden zu Buhmännern

Ein großes Feuer bei einer Demonstration in Griechenland

Bei Massendemonstrationen in Griechenland fliegen die Fetzen Photo by George Laoutaris

In Griechenlands schwersten Stunden kamen Deutschland und die EU zu Hilfe und gaben dem Land Hilfskredite von insgesamt 215 Milliarden Euro. Dafür verlangten EZB, Internationaler Währungsfond und EU-Kommission verständlicherweise, dass der griechische Staat sein enormes jährliches Finanzdefizit abbaut, und Schritte unternimmt, um das Land wettbewerbsfähig zu machen. Es waren harte Reformen, die die griechische Regierung durchführen musste. Doch was wäre die Alternative gewesen? Staatsbankrott und der Zusammenbruch des Sozialstaats? Euroaustritt und versuchen mit einer hyperinflationierenden Drachme einen Wirtschaftsraum aufzubauen? Die Griechische Regierung entschied sich den schweren Weg zu gehen, Wirtschaftsreformen durchzuführen und dafür Hilfen der EU in Anspruch zu nehmen. Für ihre Rettungs- und Reformbemühungen ist die EU und insbesondere Deutschland in Griechenland aber nun zum Hassobjekt geworden.

Kredite aus Eigennutz?

Dabei handelte es sich bei den Hilfskrediten um rein politische Hilfen zur Stabilisierung der schwächeren EU-Staaten und des Euroraums. Selbst in der deutschen Presse liest man zwar bisweilen, dass Deutschland die Kredite aus reinem Eigennutz bereitgestellt habe, um die Wirtschaft eines Export-Handelspartners zu stützen. Diese Argumente (die man gelegentlich selbst aus den Mündern von Spitzenpolitikern hört) halten indes so nur lange, bis man sich die Zahlen im konkreten anschaut. Seit 2007 exportiert die deutsche Wirtschaft jährlich Waren im Wert zwischen 4 und 8 Milliarden Euro an Griechenland. Das ist natürlich kein Reingewinn. Deutsche Unternehmen mussten die Güter für den Export ja erst einmal produzieren und dafür Rohstoffe, Maschinen und Arbeitsleistung investieren. Die deutschen Kredite an Griechenland belaufen sich mittlerweile jedoch auf die gigantische Summe von ca. 63 Milliarden. Die Export-Gewinne der deutschen Wirtschaft würden diese Summe in 50 Jahren nicht rechtfertigen. Die griechischen Kredite wurden nicht aus wirtschaftlichen Gründen vergeben, sondern aus dem politischen Willen die Eurozone und Griechenland zu retten.

Griechenlands Schulden

  • 133 Milliarden Schulden beim Europäischen Rettungsschirm  ESFS. An diesem ist Deutschland mit 27 % beteiligt. 27% von 133 Milliarden = ca. 36 Milliarden
  • 50 Milliarden Schulden bei der Europäischen Zentralbank EZB. Deutschlands hat am gezeichneten Kapital der EZB einen Anteil von 24,5%. 24,5% von 50 Milliarden = ca. 12 Milliarden
  • 15 Milliarden Schulden bei der Bundeseigenen KfW-Bank
  • Summe: ca. 63 Milliarden

Tsipras und seine antideutsche Koalition

Geholfen hat das dem deutschen Ansehen in der griechischen Öffentlichkeit nicht. Der gemeinsame Hass auf Deutschland hat sogar die augenscheinlich grundverschiedenen politischen Parteien Syriza und die „Unabhängigen Griechen“ zusammen geführt. Die Rechtspopulisten von Panos Kammenos sind gegen Zuwanderung und fordern die Einführung eines Orthodox Christlichen Bildungssystems.

Dass Tsipra und seine Syriza mit ihnen koalieren zeigt, dass alle politischen Themen außer dem Schuldenschnitt für ihn sekundär sind, und dass Radikale beider politischen Richtungen sich näher stehen als man gemeinhin denkt.

 Panos Kammenos photo

Der Rechtspopulist Panos Kammenos macht mit radikalen Forderungen auf sich aufmerksam Photo by dupontaignan

fordert deutsche Reparationen für die Kriegsschäden im Zweiten Weltkrieg und warnt vor der Aufgabe griechischer Souveränität in einem deutsch dominierten Europa. Ein deutsch-dominiertes Europa, in dem die deutsche Bundesbank trotz entschiedener Opposition nicht einmal die aberwitzigste Gelddruckaktion in der Geschichte der Zentralbanken verhindern konnte. Tsipras designierter Finanzminister Panos Kammenos fordert unverhohlen Europa in eine Transferunion umzuwandeln. Dass das nicht im deutschen Interesse liegen kann, sollte auf der Hand liegen. Ob Deutschland mit seinem angeblich so großen Einfluss das Worte und Tatenverhindern kann, bleibt abzuwarten.

Tsipras unlautere Versprechen

Tsipras Wahlversprechen sind nicht haltbar. In typisch linker Manier hat er dem Land soziale Wohltaten von 12 Milliarden Euro versprochen, ohne zu erklären wie sie finanziert werden sollen. Diese Maßnahmen werden nicht kommen und auch der Schuldenschnitt wird es nicht. Tsipras hat dem griechischen Volk versprochen, dass sobald die Staatsschulden gestrichen sind, auf Hellas Milch und Honig fließen. Dieses Versprechen ist Augenwischerei. Nicht nur weil die Troika das niemals akzeptieren würde. Die griechischen Schulden müssen erst ab dem Jahr 2020 überhaupt zurückbezahlt werden. Sie können also kaum für die momentane finanzielle Misere des griechischen Staats verantwortlich sein. Nicht überbordende Schulden schnüren Griechenland die Luft ab sondern eine über Jahre verfehlte Finanzpolitik, die auch jetzt noch andauert. Und die wird nicht verschwinden, wenn die Schulden gestrichen werden.

Worte und Taten

Diagramm: Stimmenanteile der Parteien bei der Wahl in Griechenland

Die Europa-kritischen Parteien Syriza, Unabhängige Griechen, Kommunistische Partei und Goldene Morgenröte haben gemeinsam mehr als 53% der Stimmen erhalten. Photo by quapan

Bloße Worte und Tatsächliche Handlungen liegen oft weit auseinander. 80% der Griechen sagen, dass sie in der Eurozone verbleiben wollen. Am letzten Wochenende aber, als es galt zu handeln und an der Wahlurne ein Kreuz zu machen, wählten sie mehrheitlich Europa-kritische Parteien. Syriza, die „Unabhängigen Griechen“, die kommunistische Partei und die goldene Morgenröte kamen zusammen auf 53% der Stimmen. Für Griechenlands Zukunft sind leider nicht die Wünsche der griechischen Bevölkerung von Belang, sondern ihr tatsächliches Wahlverhalten. Griechenland und Europa stehen düstere Zeiten bevor.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.