Beschränkung der Netzneutralität. Das Ende des freien Internets?

Namhafte US-amerikanische Medien wie das Wall Street Journal spekulieren über eine Aufweichung der Netzneutralität in den USA. Die US-Telekommunikationsaufsicht FCC wolle bei ihrer nächsten ordentlichen Sitzung am 15. Mai schnellere Datenübermittlung gegen Gebühren legalisieren. Dieser Vorstoß würde das Ende der Netzneutralität und des freien Internets einläuten.

Netzneutralität, das bedeutet Internet, wie wir es heute kennen. Seine Regeln sind einfach: Jeder Netzanbieter übermittelt jede Art von Datenpaketen an jeden User. Egal ob es sich um Skype-Telefonate, E-Mails, gestreamte Filme oder einfache Websiten handelt; egal ob sie von Google oder dem Miniaturblog Utopianreflections.net kommen. Eine Einstufung nach Art und Wichtigkeit der Datenpakte findet nicht statt. Auch können bestimmte Internetdienste wie Ebay oder Amazon einen Netzanbieter wie die Telekom nicht dafür bezahlen, ihre Daten schneller zu übermitteln. Das Internet ist frei und egalitär. Wenn ein kleiner Anbieter einen interessanten neuen Dienst bietet, wird er ebenso schnell geladen, wie etablierte Dienste von Google oder Facebook. Kreativität und Qualität, nicht Kapital und Marktmacht setzen sich langfristig durch. So war es mindestens bis zu diesem Donnerstag…

Weicht die FCC die Netzneutralität auf?

Hauptquartier der FCC bei Nacht erleuchtet

Das Hauptquartier der amerikanischen Telekommunikationsaufsicht FCC bei Nacht. Photo by Dustin Ginetz

Manch einer begann um die Netzneutralität zu bangen, als die amerikanische Telekommunikationsaufsicht FCC am Donnerstag ihr nächstes ordentliches Treffen für den 15. Mai ankündigte. Denn auf der Tagesordnung fanden sich skeptisch machende Formulierungen.
Von einem neuen „marktorientierten Zweck der mobilen Breitband-Nutzung für mehr Wettbewerb“ war die Rede und von einem „zweiten Markt für mobile wireless services für mehr Wettbewerb.“ Zu den üblichen Floskeln über freies Internet am Ende der Pressemeldung hatte ein Journalist eine Rückfrage. Und darauf antwortete der Kommissionsvorsitzende Tom Wheeler mit dem Statement, das den Mediensturm auslöste:

There are reports that the FCC is gutting the Open Internet rule. They are flat out wrong. Tomorrow we will circulate to the Commission a new Open Internet proposal that will restore the concepts of net neutrality consistent with the court’s ruling in January. There is no ‚turnaround in policy.‘ The same rules will apply to all Internet content. As with the original Open Internet rules, and consistent with the court’s decision, behavior that harms consumers or competition will not be permitted.

Lippenbekenntnisse?

Was sich anhört wie ein klares Bekenntnis zum freien Internet, ließ die Netzgemeinde überall auf der Welt erzittern. Denn entscheidend ist nicht, was Wheeler hier sagte, sondern was er nicht sagte.
Unter Netzneutralität versteht die FCC nach offiziellen Statements nur, dass Telekommunikationsanbieter die Übermittlung legaler Daten nicht verweigern dürfen. Dass Daten generell übermittelt werden müssen, bedeutet aber nicht, dass nicht einige Daten schneller übermittelt werden dürfen als andere. In ihrer Regelung von 2010 hatte die FCC offiziell verordnet, dass es keine Gebühren für schnellere Datenübermittlung geben dürfe. Diese Regelung wurde durch ein Gerichtsurteil des Federal Court vom 14. Januar allerdings als unzulässig aufgehoben. Wenn Wheeler also sagt: „die gleichen Regeln gelten für allen Internet content“ und das neue Regelungen „in Übereinstimmung mit der Regelung des Gerichts“ gestaltet werden müssen, legt er nahe, dass zukünftig Gebühren für schnellere Datenübermittlung erhoben werden dürfen. Zahlreiche Online-Medien und sogar Traditionsblätter wie das Wall Street Journal äußerten diese Vermutung.

FCC-Direktor Tom Wheeler

Tom Wheeler bei einer Koferenz bei Voices. Photo by Free Press Pics

Das Ende der Freiheit?

Sollten sich die Berichte bewahrheiten, wäre das das Ende der Netzneutralität in den USA. Statt einem freien Internet, in dem jeder Nutzer seine Meinung, seine Kreativität und seinen Erfindergeist jedem zugänglich machen kann, bekämen wir ein Netz, dass von wenigen Großanbietern dominiert wird. Jedes Startup, dass kreative Dienste anbietet und User-Interesse hervorruft, würde nach wenigen Monaten am eigenen Erfolg zu Grunde gehen. Denn über langsame Datenverbindungen könnte niemand mehr auf den Dienst zugreifen. Andere Anbieter wie Google, Amazon, Ebay und Zalando könnten ihre faktische Monopolstellung ausbauen. Denn wer würde noch bei einem Konkurrenten Schuhe, Bücher, Waschmaschinen oder Anzeigen kaufen, wenn der Zugriff darauf eine Stunde dauern würde. Private Blogger und kleine Websites würden der Vergangenheit angehören. Sie würden schlicht keine Resonanz mehr finden.

Auswirkungen für Deutschland

Sollte die FCC wirklich derartige Richtlinien beschließen, beträfen sie zunächst nur die Rechtslage in den USA. Doch auch User in Deutschland wären nicht nur mittelbar sondern auch unmittelbar betroffen. Die meisten Internet-Server stehen in den USA und unterliegen damit US-amerikanischem Recht. Greift ein User aus Deutschland auf Websiten in den USA zu, müssen Telekom und 1&1 Datenübermittlungen von US-Netzanbietern nutzen. Wenn der US-Anbieter eine Seite also nur mit einer gewissen Geschwindigkeit übermittelt, erscheint die Seite auch in Deutschland nur langsam. Zudem ist völlig unabsehbar, wie sich eine Grundsatzentscheidung im Internet-Vorreiter-Staat USA auf die Gesetzeslage hierzulande auswirken wird. Die deutsche Telekom scheiterte mit Vorstößen die Netzneutralität in Deutschland einzuschränken schon mehrfach am Protest der Internetgemeinde. Eine neue Gesetzeslage in den USA würde die Debatte neu befeuern.

Ein Internet, in dem jeder Nutzer auf jeden Dienst zugreifen kann, und jedes Medium potentiell jeden Interessenten erreicht, ist spätestens seit diesem Donnerstag leider keine Selbstverständlichkeit mehr. Gebannt richten sich nun die Augen der weltweiten Netzgemeinde am 15. Mai auf die FCC. Die Entscheidung für oder gegen die Netzneutralität wird mit Spannung erwartet.

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