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Als in den frühen 90ern das Internet frei gegeben wurde, träumte die Menschheit von einem neuen Medium, einem unendlichen Gestaltungsraum, einem Spielplatz für freie Kreativität. Jeder User, jeder Mensch konnte plötzlich seine Meinung veröffentlichen und der ganzen Welt zugänglich machen. Grenzenlose Freiheit. Das war der Traum.
25 Jahre später stehen wir voller Schrecken vor dem Gebilde, zu dem das Internet geworden ist. Die Menge an Informationen kann schon lange kein einzelner mehr überblicken. Und weil Niemand mehr alle Daten zu einem Thema sichten und abwägen kann, flüchten wir uns zu Suchmaschinen wie Google. Aus der unendlichen Fülle an möglichen Seiten, sichten wir faktisch nur die ersten drei jeder Suchanfrage. Der moderne Mensch dürstet wie ein Drogensüchtiger nach Informationen, und Google präsentiert sie ihm. Doch wie bei jedem Dealer ist der Preis hoch: Google legt nach eigenen Maßstäben fest, wie die Seiten geordnet werden und bestimmt damit indirekt, wer gelesen wird und wer nicht.
SEO macht Schule
Wer im Google-Ranking weit oben steht und wer nicht, hat reale wirtschaftliche Folgen für Unternehmen und ihre Angestellten. Eine gute Suchmaschinenplatzierung bedeutet Geld, Reichtum und Karriere. Eine schlechte Suchmaschinenplatzierung heißt Hartz 4. Weil unendlich viel Geld dadurch gewonnen oder verloren werden kann, ist ein riesiges Heer von hauptberuflichen SEO-Spezialisten tagtäglich damit beschäftigt unser Internet an die Interessen von Google anzugleichen. Eine einzige simple Suchmaschine diktiert dem Netz, wohin es sich entwickeln muss.
Glatt optimierte Texte
Zuweilen nimmt die Optimierung dabei groteske Züge an. Kommt ein relevanter Suchbegriff nicht häufig genug in einem Text vor, wird die Suchmaschine seine Relevanz für das Thema nicht erkennen. Mag er noch so inhaltlich treffend oder stilistisch ansprechend sein. Tagtäglich werden deshalb grauenhafte Texte voller Wortwiederholungen erstellt, die jedem Leser die Tränen ins Gesicht treiben. Nicht mehr das Urteil des Users zählt sondern das der Suchmaschine.
Design für die Maschine
Auch die Art und Weise, wie Websiten grafisch aufgebaut werden, hat sich durch Google verändert. War noch in den späten Neunziger-Jahren eine Frame-basierte Darstellung üblich, so ist diese Art des Designs völlig aus der Mode gekommen. Auf die Frage „warum?“ antwortete mir eine Web-Verantwortliche knallhart: „Das ist viel zu Suchmaschinen-unfreundlich.“ Warum sollten Websiten auch für Designer leicht zu erstellen oder ansprechend für User sein? Entscheidend ist ja wohl, was die Suchmaschine sagt.
Die dunkle Seite der Vernetzung
Wer Youtube-Kommentare schreiben will, der muss einen Google+ Account haben. Wer wissen will, wie oft ein Begriff gesucht wird, braucht ein Adwords-Konto. Wer einen Google-Blog betreibt und von dort seine Seite verlinkt, der steigt überproportional im Ranking der Suchmaschine. Längst hat Google damit angefangen seine Dienste miteinander zu vernetzen. Schritt für Schritt und Masche für Masche spinnt sich so ein Monopol-Netzwerk.
Ein Netz von Agenten
Wer wichtige Informationen über seine eigene Seite gewinnen und im Ranking nicht abgehängt werden will, der muss heute Google-skripte in den Quelltext seiner Seite laden. Die Skripte lesen alles ab: Wer auf die eigene Seite kommt. Wie lange er dort bleibt. Wohin er von dort wandert. In 13 riesigen weltweiten Zentren sammelt Google diese Daten: Jeder Klick, jeder View, jeder Side-Kontakt. Durch die generische Auswertung entstehen Klickwege und daraus Profile von Menschen mit Vorlieben und Bedürfnissen. Oder besser gesagt: von Konsumenten mit Affinität zu bestimmter Werbung.
Das ganze Internet arbeitet direkt oder indirekt für Google. Willkommen im Monopol 2.0.