Facebook übernimmt Whatsapp

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Das californische Großunternehmen Facebook kauft den Massenger-Dienst Whatsapp für 19 Milliarden. Marc Zuckerberg will mit der Übernahme seine Position auf dem umkämpften Social-media-Markt stärken und einen gefährlichen Konkurrenten aus dem Weg räumen. Bei seiner Entscheidung spielte sicher auch die Angst vor der „neuen Privatsphäre“ eine Rolle…

Selten hat eine Firmenübernahme für so viel Furore gesorgt. Am Mittwoch machte Marc Zuckerberg es öffentlich. (Stilecht per Facebook-Meldung) Facebook übernimmt Whatsapp für 19 Milliarden US-Dollar. Es ist die größte Firmenübernahme in der Firmengeschichte des sozialen Netzwerks, und es ist ein Zusammenschluss, der die Branche verändern wird wie einst die Übernahme von Youtube durch Google.

19 Milliarden? Für ein Unternehmen mit 50 Mitarbeitern, das erst 5 Jahre alt ist? Selbst in den Zeiten von Internet und schnell schwankenden Börsenkursen muss man sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Der Vorgang und die Kaufsumme sind einmalig. Man stelle sich vor: Facebook bezahlt für jeden Whatsapp-Mitarbeiter 380 Millionen, und das für ein Unternehmen, dass keine nennenswerten materiellen Werte besitzt. Symptomatisch für die Welt 2.0 zeigt der Firmenwert, auf was es bei einem Internetunternehmen ankommt: Eine bekannte, profilierte Marke; Kundenbindungen und vor allem: Nutzer – Nutzer – und Nutzer. Whatsapp hat sich durch sein extrem einfaches Konzept in kürzester Zeit einen beispiellosen Ruf erarbeitet: Jeder (auch wer den Dienst nicht nutzt) weiß was Whatsapp ist. 450 Millionen Nutzer verschicken an guten Tagen bis zu 50 Milliarden Nachrichten. Die Whatsapp-Nachricht hat die SMS fast völlig verdrängt. Neben dem markanten Namen -ein Wortspiel, das einfach im Kopf hängen bleiben muss- ist es vor allem die einfache Bedienung, die Whatsapps Erfolg ausmacht. Firmengründer Jan Koum sagte einst: „Wir wollten eine App entwickeln, die eine 60-jährige Oma ohne jegliche Computer-Kenntnisse nutzen könnte“. Und sehr gerne erzählt er die Anekdote, wie sein Mitbegründer Brian Acton ihm einen Zettel an den Schreibtisch klebte, auf dass er die Firmenprinzipien niemals vergesse: „Keine Werbung! Keine Spiele! Keine Gimmicks!“
Die ungleichen Zwillinge

Wie zahlreiche Kommentatoren in dieser Woche schon herausgestellt haben, ist Whatsapp eine Art Anti-Facebook.Während das größte soziale Netzwerk der Welt eine Art Marktplatz ist, auf dem die Nutzer ihr Leben veröffentlichen können, dient Whatsapp der einfachen und direkten Kommunikation mit einzelnen Freunden oder Kleingruppen. Facebook-Kommunikation dient dazu, sich öffentlich zu profilieren. Whatsapp hingegen ist nur für bestimmte Personen gedacht. Whatsapp hat überdies noch einen weiteren Vorteil: Es ist noch „cool“. Während jüngere User schon seit langem vor Facebook fliehen, und zu Konkurrenten wechseln, wo sie ihren Eltern nicht begegnen, ist Whatsapp gerade bei der Jugend sehr beliebt.

Vor vier Jahren passierte es mir, dass ein Freund eine SMS mit einer Facebook-Nachricht beantwortete. Heute würde er zweifellos eine Whatsapp-Nachricht schreiben. Und hier findet man den Grund weshalb Facebook die aberwitzige Summe von 19 Milliarden investiert. Die gleiche Strategie, die Facebook schon dazu brachte Instagram zu übernehmen, ist auch hier ausschlaggebend: Wer in irgendeinem Teilbereich eine ernstzunehmende Konkurrenz für Facebook zu werden droht, der wird gekauft. Der blaue Riese duldet Niemanden neben sich.

Ähnlich wie mit dem Kauf von Instagramm will Facebook auch seine Präsenz im tragbaren Internet festigen. Dieser immer wichtiger werdende Kernbereich war lange nicht im Zentrum von Facebooks Aufmerksamkeit. In Zukunft wird aber kein Großunternehmen mehr bestehen können, dass sich hauptsächlich auf Festrechner spezialisiert.
Handlungen und ihre Wahrnehmung

Die gigantische Transfersumme und die große Medienresonanz, die der Kauf in dieser Woche hervorgerufen hat, haben die enorme Bedeutung von Internet und Informationsflüssen in unserer heutigen Gesellschaft wieder einmal verdeutlicht. Noch symptomatischer für die Wirkung des Internets ist jedoch, dass die Medienberichterstattung über das Ereignis schon selbst wieder folgenreich war. Ohne dass schon irgendetwas passiert wäre, (die Übernahme ist ja nur angekündigt, noch nicht juristisch vollzogen) hat alleine die Information, dass Facebook Whatsapp übernehmen wird, zu Verwerfungen auf dem Markt geführt. Whatsapp verlor schlagartig zahlreiche Kunden, weil diese Angst vor Facebook und seinem aggressiven Zugriff auf Nutzerdaten hatten. Die Userzahlen von Konkurrenten wie Snapchat und Threema explodierten, letzterer verdoppelte sich sogar innerhalb von zwei Tagen. Die viralen Informationsflüsse, die unser Internet und unsere Gesellschaft mittlerweile prägen, können mittlerweile in kürzester Zeit die Realitäten völlig verändern. Große, bekannte Player wie Facebook, Google oder Apple werden zukünftig nicht nur überlegen müssen, was ihre Entscheidungen für direkte und indirekte Folgen haben, sondern auch, was die Wahrnehmung dieser Entscheidungen für Folgen haben wird.
Privatsphäre 2.0

Schließlich gilt es sich noch zu fragen, warum so viele Nutzer die Facebook-Übernahme zum Anlass nehmen, Whatsapp den Rücken zu kehren. Und noch wichtiger: Warum gibt es überhaupt ein so großes Interesse am Online-Messanger, das eine Kaufsumme von 19 Milliarden Dollar rechtfertigt?

In meinen Augen ist beides Ausdruck einer tiefen Sehnsucht, der Sehnsucht nach einer neuen Privatsphäre. Ein Raum, in dem man nicht in jeder Sekunde darauf achten muss, was man sagt oder schreibt, weil Millionen anderer Menschen potentiell darauf zugreifen können. Ein Raum, in dem man keine Angst davor haben muss, dass Behörden oder Multinationale Konzerne persönliche und intime Daten speichern und missbrauchen. Ein Raum, in den man nur Freunde und enge Bekannte einlassen muss, der einen Ausgleich bietet, zum freien Internet, in dem jede Äußerung weitreichende Folgen haben kann.

Die Feuilletons sind seit Jahren gefüllt mit Kritiken einer exhibitionistischen Generation, die bei Instagram Fotos ihres Mittagessens veröffentlicht, bei Facebook meldet, wenn sie auf die Toilette geht, und twittert ob die aktuelle Episode der Lieblingsfernsehserie genehm war. Jeder Internetnutzer kennt solche Beispiele. Doch daneben scheinen gerade Dienste wie Whatsapp, mit denen man sich nur Kleinstgruppen mitteilen will, ein Zeichen dafür zu sein, dass ein gewisser anonymer Raum in den Köpfen der Menschen noch einen Platz hat.

Bis jetzt gibt es nur eine Möglichkeit, sich in einen absolut anonymen Raum zu begeben, in dem die eigenen Äußerungen nicht zugleich der Welt mitgeteilt werden und in dem nicht jeder eigene Schritt nachvollziehbar ist: Computer herunterfahren.

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About ThomasMorus1478

Online Redakteur, Journalist und Blogger mit vielen Interessen. Studierter Historiker und Philosoph. Internet und Social-Media Freak. Literatur-verrückt und Youtube-abhängig. Schreibt sowohl Journalistisches als auch Belletristik.

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